Die kurz als Maschinenrichtlinie bekannte EU-Richtlinie 2006/42/EG, der auch das Konformitätsverfahren der CE-Kennzeichnung für Maschinen entspringt, ist mittlerweile über 15 Jahre alt.
Dass sich in dieser Zeit die Technik nicht nur weiterentwickelt hat, sondern auch das Tempo der Neuerungen immer schneller geworden ist, ist jedem Maschinenhersteller klar.
Um mit den neuen Begebenheiten Schritt zu halten, wurde der EU-Kommission ein „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maschinenprodukte“ vorgelegt.
Der Vorschlag für diese neue Maschinenverordnung liegt der EU-Kommission vor und ist auch bereits öffentlich einsehbar. Sie ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Kraft und kann noch Änderungen unterliegen.
Wenn die Kommission dem Vorschlag, gegebenenfalls mit leichten Änderungen, zustimmt, ist noch eine mehrjährige Übergangsfrist zu erwarten. So wird den Unternehmen eine ausreichende Zeit gegeben, bis die neuen Regelungen endgültig umgesetzt sein müssen.
Die alte Maschinenrichtlinie wird also voraussichtlich noch rund zweieinhalb Jahre nach Veröffentlichung der Verordnung (also bis etwa 2025) anwendbar bleiben.
Möchten Sie bereits vor der Veröffentlichung einmal in die neue Maschinenverordnung schauen? Dann finden Sie hier den eingereichten Vorschlag.
Eine deutsche Übersetzung des Vorschlags und der dazugehörigen Anhänge finden Sie hier.
Auch wenn der Änderungsbedarf der Maschinenrichtlinie einleuchtet, stellt sich die Frage, warum diese nicht einfach überarbeiten? Warum die Richtlinie durch eine Verordnung ersetzen?
Das hat formale Hintergründe.
Eine EU-Richtlinie hat keine unmittelbare Rechtsgültigkeit, sondern richten sich an die Gesetzgeber der einzelnen Mitgliedsstaaten. Diese sind verpflichtet, EU-Richtlinien in nationales Recht zu übernehmen. Erst dann treten diese in dem jeweiligen Land in Kraft.
In Deutschland beispielsweise wird die aus der EU stammende Maschinenrichtlinie durch die neunte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (9. ProdSV) umgesetzt.
Erlässt die EU aber Verordnungen, sieht das Ganze schon wieder anders aus!
Denn Verordnungen müssen nicht erst auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Verordnungen haben einen unmittelbaren Rechtscharakter und gelten mit ihrer Veröffentlichung unverzüglich in der gesamten Union.
Aus Sicht der EU hat eine Verordnung also den Vorteil, dass diese schneller umgesetzt werden kann. Änderungen lassen sich schneller durchführen, um zum Beispiel auf neue Technologien einzugehen. Außerdem ist die Rechtslage so EU-weit einheitlich und es kommt nicht zu Ungleichheiten im Markt, je nachdem welcher Staat die Umsetzung schneller oder langsamer durchführt.
Wenn Sie Angst haben, dass der neue Vorschlag das bisherige Verfahren komplett über Bord wirft und sich alles ändert – dann keine Sorge!
Das grundsätzliche Vorgehen bleibt dasselbe wie zuvor. Es geht eher darum, die bestehenden Vorgaben auf die modernen Anforderungen anzupassen und um neue Technologien zu erweitern. Auch schwammige oder unklare Formulierungen werden durch genauere Begriffsbestimmungen ersetzt.
Was genau überhaupt eine wesentliche Veränderung ist, muss in Zukunft nicht mehr in zusätzlichen Interpretationspapieren nachgelesen werden. Dieser Begriff (im Entwurf allerdings aktuell mit wesentliche Modifikation übersetzt) und weitere werden nun direkt in der Maschinenverordnung erläutert.
Diese Themen, die in der aktuellen Maschinenrichtlinie nicht vorkommen, werden im Entwurf behandelt:
Für Letzteres wurde gleichzeitig mit der Maschinenverordnung auch ein separater Entwurf für eine EU-Verordnung zu künstlicher Intelligenz veröffentlicht.
Zu jeder Maschine gehört auch eine Bedienungsanleitung. Diese muss den Bedienern, Einrichtern, Instandhaltern etc. jederzeit bei den entsprechenden Tätigkeiten zur Verfügung stehen.
Bisher war damit eindeutig immer die Papierform gemeint. Im Zuge der Digitalisierung und um im Sinne eines modernen Umweltschutzes Papier einzusparen, müssen in Zukunft diese Dokumente nicht mehr zwingend in Papierform vorliegen. Eine Übergabe in digitaler Form an den Käufer ist ausreichend.
Auch das Ausstellen der Konformitäts- bzw. Einbauerklärung darf in Zukunft papierlos erfolgen. Allerdings muss ein Verweis auf die Webseite des Herstellers hinterlegt werden, unter der die vollständige Erklärung zu finden ist.
Was sich ebenfalls ändert, ist das Konformitätsverfahren für besonders gefährliche Maschinen. In der aktuellen Maschinenrichtlinie sind im Anhang IV Maschinen aufgelistet, die als besonders gefährlich angesehen werden. Diese finden sich nun im Anhang I der neuen Verordnung.
Hinzu kommen dabei Sicherheits- und KI-Software sowie Maschinen mit integrierten KI-Funktionen. Alle Maschinen, die solche Technologie verwenden, müssen also das Konformitätsverfahren für besonders gefährliche Maschinen durchlaufen.
Um mit der Schnelllebigkeit der technischen Entwicklung mitzuhalten, dürfen Hersteller von diesen „Anhang I-Maschinen“ auch ein besonderes Konformitätsbewertungsverfahren in eigener Regie durchführen. Das bedeutet, dass Sie nicht verpflichtet sind, sich an (ggf. dem Fortschritt hinterherhinkende) harmonisierte Normen halten zu müssen; dafür ist in diesem Fall aber keine Selbsterklärung der Konformität möglich, sondern es muss eine Baumusterprüfung durch eine benannte Stelle erfolgen.
Ärgerlich ist es dabei, dass die Liste der gefährlichen Maschinen nun in den Anhang I verschoben wurde. Die früher im Anhang I angesiedelte Liste mit den grundsätzlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen ist in dem neuen Entwurf nun in Anhang III zu finden.
Da diese grundsätzlichen Schutzanforderungen ein essenzieller Teil jeder Konformitätsbewertung sind, ist diese Verschiebung ein großes Ärgernis für alle, die ihre Programme, Prozessabläufe und Dokumentenvorlagen anpassen müssten.
Es bleibt zu hoffen, dass diese unnötig für Verwirrung sorgende Änderung in dem finalen Entwurf noch angepasst wird.
Insgesamt lässt sich sagen, dass das bisherige Verfahren der Maschinenrichtlinie nicht komplett hinfällig wird. Die neue Verordnung baut auf dem vorhandenen System auf und erweitert dieses um moderne Techniken.
Die Änderung von einer Richtlinie auf eine Verordnung ist dabei eher ein juristischer Kniff, der für Sie als Maschinenhersteller keine direkte Konsequenz hat.
Wann genau die vorgeschlagene Maschinenverordnung in Kraft treten wird, steht noch nicht fest. Aber trotz einer zu erwartenden Übergangsphase sollten Sie sich als Maschinenhersteller schon jetzt darauf vorbereiten, die entsprechenden Änderungen an Ihren Dokumenten und Prozessen vorzunehmen.
Inwieweit die finale Verordnung von dem Entwurf abweichen wird, ist noch ungewiss. In jedem Fall bleiben die Experten von en:plan für Sie am Ball. Wir berichten wieder, wenn es neue Entwicklungen gibt. Und wenn Sie in der Zwischenzeit Fragen zu diesem Thema haben, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.