„Liebe Landsleute,
viel menschliches Leid und großer volkswirtschaftlicher Schaden entstehen in jedem Jahre durch Unfälle.“
So beginnt die Einleitung in einem Schriftstück aus dem Jahr 1972, welches mir beim Stöbern im Buchregal meiner Großeltern in die Hände fiel.
Wie wichtig die Sicherheit bei der Arbeit ist und dass die Gesundheit der Mitarbeiter ein schützenswertes Gut ist, haben heutzutage glücklicherweise Angestellte aber auch Arbeitgeber verstanden.
Doch auch in der Vergangenheit gab es bereits Bestrebungen in diese Richtung, wie man an diesem alten Schatz erkennt. Das Büchlein „Häusliche Sicherheit - Richtlinien zur Verhütung von Unfällen in Haushalt und Freizeit“ ist zwar in der mir vorliegenden Ausgabe knapp 50 Jahre alt und bezieht sich hauptsächlich auf die Sicherheit in Haushalt und Freizeit. Jeder, der sich mit dem Thema Betriebssicherheit auskennt, wird dennoch beim Lesen der dort geschilderten Sicherheitsregeln vieles wiedererkennen, was heute – auch am Arbeitsplatz – noch Bestand hat.
Ziehen wir doch mal einen Vergleich von damals zu heute:
„12.1. Haushaltsmaschinen und -geräte müssen den Forderungen des Gesetzes über technische Arbeitsmittel (Maschinenschutzgesetz) und den jeweils bestehenden DIN-Normen (Deutsche Industrie-Normen) entsprechen.“
Das „Maschinenschutzgesetz“ war zu dem Zeitpunkt der Herausgabe dieser Richtlinie noch neu, dieses kam nämlich erst im Jahr 1968 raus!
Heutzutage werden die Sicherheitsanforderungen an Maschinen in den Verordnungen des Produktsicherheitsgesetzes bzw. europaweit in der Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) geregelt.
Selbe Abkürzung, leicht andere Bedeutung: Aus den „Deutschen Industrie-Normen“ ist mittlerweile das „Deutsche Institut für Normung“ geworden.
Bei der Konstruktion sicherer Geräte werden Normen aber nach wie vor verwendet.
„12.2. Haushaltsmaschinen so konstruieren, daß Zahnräder, Riementriebe, offen laufende Teile (z. B. an Zerkleinerungsmaschinen, Mixern) gegen zufällige Berührung geschützt sind [...].“
Wer die Erreichbarkeit von Gefahrenstellen an seiner Maschine bei der Entwicklung mittels Risikobeurteilung analysiert und bewertet, greift auch heute noch gerne zu dieser Schutzmaßnahme.
Heutzutage würde man fachlich korrekt von einer „trennenden Schutzeinrichtung“ sprechen. Damals wie heute ist aber der Zweck der gleiche: mit Abdeckungen, Gittern oder Ähnlichem die Gefahrenstellen physisch blockieren und so das unvermittelte Berühren verhindern.
„12.3. Einlauf und Auslauf an Zerkleinerungsmaschinen (z. B. Reibe-, Schneide- und Schnitzelmaschinen, Fleischwölfen) müssen so gestaltet oder mit einem besonderen, dauernd bestehenden Schutz so ausgerüstet sein, daß ein Hineingreifen unmöglich ist und Verletzungen durch sich drehende Teile verhindert werden. (Bei kraftbetriebenen Fleischwölfen muß der Trichterhals mindestens 150 mm lang sein.)“
Auch hier sehen wir wieder gestalterische Maßnahmen, die das Erreichen von Gefahrenstellen verhindern sollen. Auch heute ist es häufig noch so, dass insbesondere an Ein- und Auslauf von Geräten funktionsbedingt Öffnungen notwendig sind. Diese können nicht komplett eingehaust werden.
Es wird auch ein konkretes Beispiel genannt: Dadurch, dass der Trichterhals bei Fleischwölfen eine bestimmte Länge hat, soll das Erreichen der Gefahr verhindert werden.
Heutzutage würde man beispielsweise die Norm DIN EN ISO 13857 anwenden, in der Sicherheitsabstände gegen das Erreichen von Gefährdungsbereichen mit den oberen Gliedmaßen definiert sind.
„12.25. Auf dem Gehäuse muß ein dauerhafter Hinweis an gut sichtbarer Stelle angebracht sein: <Achtung, Gefahr! Schneidmesser laufen nach.>“
Im Zuge Ihrer Risikobeurteilung versuchen Sie für Ihr Gerät die Risiken zu minimieren.
Alle Restrisiken, die sich nicht komplett vermeiden lassen, werden auch heute noch mit entsprechenden Warnhinweisen ausgewiesen. Damit diese wenn möglich auch ohne Sprachbarrieren verständlich sind, gibt es mittlerweile international vereinheitlichte Piktogramme nach Norm.
„12.26. Kraftbetriebene Rasenmäher sollen ein Fabrikschild mit dem Namen des Herstellers oder Lieferers, des Baujahrs und der Fabriknummer haben. Elektrisch betriebene Rasenmäher sollen das VDE-Zeichen tragen.“
Entsprechend der verschiedenen Produktsicherheitsverordnungen wird auch heute noch auf allen Geräten ein Typenschild angebracht, das die Identifikation des Herstellers und des Geräts erlaubt.
Auch das CE-Kennzeichen, das Kennzeichnungen wie das VDE-Zeichen ersetzt hat, findet sich typischerweise dort.
„14.5. [...] wenn das Gerät das VDE-Prüfzeichen (bei elektrischen Geräten) oder das DVGW-Zeichen (bei Gasgeräten) trägt. Dieses Zeichen bekundet, daß der Gerätetyp hinsichtlich seiner Elektro- bzw. Gasgefährlichkeit geprüft ist.“
Früher gab es verschiedene Kennzeichnungen, die die Gerätesicherheit attestierten. Heutzutage wird dies europaweit vereinheitlicht durch das CE-Kennzeichen erfüllt. Und die Sicherheitsanforderungen sind natürlich über die Jahre gestiegen.
Man erkennt aber, dass es auch damals bereits ein wichtiger Indikator für die Gerätesicherheit war, ob entsprechende Kennzeichnungen an dem Gerät vorhanden sind oder nicht.
Damals wie heute gilt: Ein Gerät, auf dem die erforderlichen Kennzeichnungen fehlen, sollte lieber nicht gekauft werden – egal, ob Küchengerät oder industrielle Maschine!
Man sieht, dass man sich in der Vergangenheit bereits Gedanken um die Sicherheit der „Landsleute“ gemacht hat. Der vermeintliche „Wilde Westen“ mit unsicheren Geräten und Arbeitsbedingungen wurde also bereits früher, als man glaubt, eingedämmt.
Die aktuellen Bestimmungen sind natürlich noch ausgereifter und mittlerweile europaweit vereinheitlicht. Dennoch ähneln die Vorschriften denen, wie wir sie auch heute kennen. Es wurde also damals bereits ein Fundament für unsere modernen Sicherheitsbestimmungen gelegt.